Ein Thema, das sich in den laufenden Diskursen der Gegenwart als eines der sensibelsten und unabschließbarsten stellt, ist das des „assistierten Suizides“, das sich mit ihm ergebenden Grenzen und Fragen, die wiederum den Begriff der Würde, das, was ihm gerecht wird und die Bedingungen, die er beinhaltet und voraussetzt, zum Gegenstand haben.

Die gerade in ihrer Unabgeschlossenheit liegende Vertiefungswürdigkeit der Thematik nahm die ökumenische Hospizbewegung Bad Honnef zum Anlass einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung am 2. März im Gemeindesaal der evangelischen Erlöserkirche.

Referenten für diese Veranstaltung waren die Vorstandsvorsitzende Dr. Sylvia Wesser, palliativ ausgebildete Hausärztin und Berhold Durst, der in seiner beruflichen Tätigkeit als Biologierlehrer an verschiedenen Gymnasien als Leiter der Fachdidaktik Biologie an der Universität Bonn tätig war und in seiner Zeit als Lehrer mit Schülern in einer Projektgruppe das Thema „Sterbehilfe“ und ethische Fragestellungen dazu vertiefte.

Die Hospizarbeit selbst stellt als einer ihrer wesentlichen Anteile auch und vor allem die Frage, was bzw. welche Situation und Geschichte überhaupt zu dem Wunsch nach einem „assistierten Suizid“ führt und damit auch die Frage nach Möglichkeiten, dem auf eine Weise zu begegnen, die einen solchen Wunsch aufhebt, bevor er sich stellt und dem Thema „inhaltlich zuvorkommt“.

Da die ökumenische Hospizbewegung Bad Honnef zu der Veranstaltung einlud war diese Frage einer der mitschwingenden Grundfragen der Veranstaltung.

Berthold Durst referiert zu Thema "Assistierter Suizid"

Berthold Durst referiert zu Thema „Assistierter Suizid“

Entsprechend eröffnete Dr. Sylvia Wesser den Diskurs mit einer Zusammenfassung des Werteanspruchs hospizlicher Arbeit, Lebensangebot zu sein und durch ihre Unterstützung in Form von Begleitung einer Verzweiflung vorzugreifen, ohne ein Gegenüber zu sein.

Hospiz stellt sich in den Dienst angebotener (und im Annehmen des Angebotes sich möglicherweise einstellender) Erfahrungen, dass Leben auch bei Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung weiter Leben, mit Inhalten angefüllt sein kann – mit der Qualität einer aufrechtgehaltenen Beziehung.

Alle angewendeten palliativen Maßnahmen (Morphingaben, palliative Sedierung) bleiben im hospizlichen Kontext dieses Lebens- und Sinnangebotes, dass Leben auch im Sterben nicht aufhören muss, Leben zu sein.

Damit zeichnet die Hospiz- und Palliativarbeit eine der Grenzen innerhalb des Themas „Assistierter Suizid“ auf, die überschritten wird, wenn solche Angebote außerhalb der Wahrnehmung bleiben und Lebensgeschichten vorzeitig entwertet werden.

Es ist jedoch auch eine andere Möglichkeiten einzurechnen, ohne die der Blick auf das Gesamtspektrum der denkbaren Situationen einseitig ausfiele: Der Möglichkeit, dass die betreffende Person dieses Sinnangebot nicht annehmen kann, auch im Wissen, dass es ihr besser ginge, wenn sie es könnte, und dennoch weiter an das Unvermögen stößt, dazu in der Lage zu sein.

Auch hier zeichnet sich eine Grenze ab, deren Überschreiten zum moralischen Engpass einer eingeforderten Hoffnung führte, die den Betreffenden daran erinnert, dass er sie nicht hat.

Die Einrechnung beider Möglichkeiten und die sich daraus ergebende Grenzziehung bewahrt vor verkürzten Wertungen auf beiden Seiten.

Eine solche (Wertungs-)Offenheit ermöglicht einen sachangemessenen Zugang zum „assistierten Suizid“ und den verschiedenen Erscheinungsweisen, in denen er zum (Diskussions-)Gegenstand werden kann.

Eine entsprechende Aufgliederung wurde im weiteren Verlauf der Veranstaltung von Herrn Berthold Durst vorgenommen.

Der Ausgangssituation eines geäußerten Suizidwunsches:

  • Eine Krebserkrankung
  • Eine Lähmung
  • Eine Depression, Verzweiflung
  • Eine Demenz
  • Lebenssattheit im Alter

Die erste Form präventiven Handelns ist ein Beziehungsangebot – entscheidend dabei ist eine Kunst der Wahrnehmung und ihr die Art und den Moment des Angebotes „zu überlassen“.

Was an Leben ist noch da? Was wartet (unausgesprochen) auf Rückmeldung? Welche Resonanz wird spürbar während des Gespräches?

Solche Frageimpulse sind eine mögliche Wahrnehmungshilfe, wenn sich hinter einem erklärten Suizidwunsch die Bitte verbirgt, den Betreffenden davon zu überzeugen, dass die sich hinter seinem Wunsch angelegte Wahrheit eine andere ist. Eine solche „ressourcenorientierte Aufdeckung“ auf die Aussage: „Ich möchte mir das Leben nehmen“ kann beispielsweise die Frage sein: „Warum haben sie es bis jetzt noch nicht gemacht?“

Zu einer Wahrnehmung, die die ganze Situation des Betroffenen in den Blick nimmt, gehört der Einbezug möglicher, bestimmender Außenfaktoren, der im Benennen einen Wendepunkt als Moment  des Gespräches sein kann: Handelt es sich beim Suizid wirklich um einen eigenen Entschluss oder sind unbewusste Außenfaktoren ausschlaggebend, die sich vom Betreffenden lösen, indem er sie sich bewusst macht?

Wie jedoch verhält es sich mit der Bewertung eines Todeswunsches, der nicht solche Anzeichen einer Außensteuerung aufweist, sozusagen von anderer inhaltlicher Substanz ist? Und welche Bewertungslinien finden sich in den Kirchen?

Beinhaltet die vom Vatikan geforderte Abgrenzung von Palliativmedizin und Sterbehilfe ein wertungsfreies Zuhören, wenn alleine darin ein wirkliches Verstehen und Gegenübersein möglich ist, in dem sich der Andere angeschaut (und nicht prinzipiell vorverurteilt) weiß – und das Beibehalten einer Beziehung, die ihn davor bewahren kann, zu verzweifeln?

 

Die abschließende Diskussion stellte noch einmal konkrete Fragen in den Mittelpunkt:

Wie weit reicht Hospizarbeit als suizidpräventives Handeln in ihrem Versuch, die Erfahrung zu ermöglichen, dass Leben auch im Sterben nicht aufhört, Leben zu sein?

Wie genau drückt sich Liebe in der konkreten Begleitungssituation und Not des Anderen aus?

Vielleicht lässt sie sich in zwei Zusagen zusammenfassen – und in die Offenheit, beide Zusagen wertfrei nebeneinander stehen zu lassen:

  • „Ich hebe Deine Verzweiflung auf, indem ich bei Dir bin.“
  • „Ich halte Deine Verzweiflung aus, indem ich bei Dir bin.“

Berthold Durst und Frau Dr. Wesser (Vorstandsvorsitzende der Hosizbewegung Bad Honnef) referieren zum Thema „Assistierter Suizid“.

Ein gefüllter Gemeindesaal, eine aufmerksame Zuhörerschaft und eine lebendige Abschlussdiskussion waren Zeichen einer gelungenen und berührenden Veranstaltung. An dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an Frau Dr. Sylvia Wesser und Herrn Berthold Durst für ihr bewegendes Engagement in der Auseinandersetzung mit einem Thema, das weiter eines der Sensibelsten unter den Themen bleibt, die sich uns in dieser Zeit stellen.